Das größte Risiko für wirtschaftliches Wachstum ist der Fachkräftemangel – da sind sich Politiker, Wissenschaftler und Ökonomen einig. Tatsächlich scheint die Situation immer dramatischer zu werden – der Arbeitsmarkt ist praktisch leergefegt.
Die wirtschaftlichen Kosten durch den Fachkräftemangel werden bis 2030 auf weltweit über 500 Milliarden Euro geschätzt[i]. Besonders IT-Spezialisten, allen voran Softwareentwickler, werden händeringend gesucht – der IT-Branchenverband Bitkom sprach 2019 sogar von mehr als 124.000 unbesetzten Stellen für IT-Experten [ii].
Neben den unbesetzten Stellen gibt es aber noch eine weitere Konsequenz des Fachkräftemangels: Fehlbesetzungen. Tatsächlich können fehlbesetzte Stellen das Unternehmen viel Geld kosten – ein Aspekt, dem meist so gut wie keine Bedeutung beigemessen wird. Dabei könnten Unternehmen vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um Fehlbesetzungen weitestgehend zu vermeiden – allem voran in den Bereichen des Recruitings und Personalmanagements.
Was versteht man unter einer Fehlbesetzung?
Eine personelle Fehlbesetzung, in HR-Kreisen auch Bad Hire genannt, ist ein Mitarbeiter, der dem Unternehmen nur für einen kurzen Zeitraum, meist weniger als 18 Monate, erhalten bleibt. In dieser Zeit hat der fehlbesetzte Mitarbeiter einen negativen Einfluss auf die Produktivität, Effizienz oder auch die Kultur des Unternehmens [iii]. Tatsächlich schätzt man, dass 25 % aller Personalentscheidungen bereits innerhalb eines Jahres rückgängig gemacht werden – mit der Folge, dass der eigentlich geeignete Kandidat bereits für die Konkurrenz arbeitet [iv].
Einer der Hauptgründe für die Fehlbesetzung ist sicherlich der Mangel an Fachkräften und der damit verbundene War of Talents – die Unternehmen konkurrieren also um qualifizierte (Nachwuchs-) Talente. Oftmals fehlt den Unternehmen aber die richtige Strategie, um diese geeigneten Bewerber zu finden, von ihrem Unternehmen zu überzeugen oder nachhaltig zu binden. Als Resultat begnügen sie sich dann mit weniger qualifizierten, eventuell auch fachfremden Bewerbern. So kann eine klassische Fehlbesetzung entstehen – meist mit weitreichenden Folgeniv.
Welche Folgen hat eine Fehlbesetzung für das Unternehmen?
Tatsächlich können Fehlbesetzungen von offenen Stellen für Unternehmen weite Kreise ziehen – intern sowie extern. Der negative Einfluss des fehlbesetzten Mitarbeiters wirkt sich dabei direkt auf den Erfolg des Unternehmens aus – die Produktivität kann sinken, der Umsatz zurückgehen und festgesteckte Unternehmensziele unerreicht bleiben. Auch könnten Kunden verloren gehen, die mit dem neuen Mitarbeiter negative Erfahrungen machen und beispielsweise nur unzulänglichen Support erhalten[v],[vi].
Doch auch der Imageschaden für das Unternehmen kann durch eine Fehlbesetzung sehr hoch sein. Intern könnten die anderen Mitarbeiter das Vertrauen in die Unternehmensführung verlieren, sollten sich mehrere neu eingestellte Mitarbeiter als teamunfähig und unternehmensschädigend herausstellen. Auch der externe Imageschaden könnte enorm sein: Gekündigte Mitarbeiter lassen ihrem Ärger freien Lauf, und das z.B. öffentlich auf diversen Social-Media-Kanälen, auf Arbeitgeber-Bewertungsseiten oder im persönlichen Gespräch mit Freunden und Bekannten [vi]. All dies hat, direkt oder indirekt, auch einen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und ist mit enormen Kosten verbunden.
Was kostet eine Fehlbesetzung, vor allem in der IT-Branche, wirklich?
Die durchschnittlichen Kosten einer Fehlbesetzung werden sehr unterschiedlich beziffert. So reichen die Schätzungen von etwa 20 % des Jahresgehalts der fehlbesetzten Arbeitskraft [vii] über durchschnittlich 50.000 € in Deutschland [iii] bis hin zu deutlich höheren Beträgen, v.a. wenn es um eine Fehlbesetzung in Führungspositionen geht [vi]. Eine Studie der Schwarze Consulting GmbH zeigte 2016 allerdings, dass Unternehmen vor allem bei fehlbesetzten Stellen in der IT-Branche, allen voran bei Softwareentwicklern, mit deutlich mehr Kosten rechnen müssen [viii]. Tatsächlich zeigt die Studie auf, dass eine Fehl- oder Neubesetzung von Softwareentwicklern das Unternehmen ein ganzes Jahresgehalt des selbigen kosten könnte.
Kosten für Fehl- bzw. Neubesetzungen
Dabei setzen sich die Kosten für eine Fehl- bzw. Neubesetzung laut der Studie folgendermaßen zusammen:
- Etwa 25 % für die Ausschreibung inklusive Personalmarketing. Dieser Wert berechnet sich aus den durchschnittlichen Provisionskosten eines externen Personalvermittlers von circa 20 – 30 % des Jahresgehalts des vermittelten Mitarbeiters.
- Etwa 17 % für die Interviews. Dabei geht man von drei Kandidaten aus, deren drei Vorstellungsgespräche mit je drei Mitarbeitern stattfinden. Pro Vorstellungsgespräch rechnet man mit zwei Stunden, sowie je einer Stunde Vor- und Nachbearbeitungszeit, also insgesamt circa 100 Stunden Aufwand und je 100 € Kosten pro Stunde.
- Etwa 25 % für die Übergabe und den Produktivitätsverlust des früheren, fehlbesetzten Mitarbeiters. Bei einer durchschnittlichen Kündigungsfrist von 3 Monaten geht man also von 1,5 Monaten Übergabezeit und 1,5 Monaten Produktivitätsverlust aus.
- Etwa 25 % für die Einarbeitung des neuen Mitarbeiters, sollte er dafür drei Monate Zeit benötigen.
- Etwa 8 % für den Produktivitätsverlust des neuen Mitarbeiters während der ersten Zeit [viii].
Nimmt man also das durchschnittliche Jahresgehalt eines Anwendungs-entwicklers mit 5 Jahren Berufserfahrung, so kostet eine Neu- oder Fehlbesetzung das Unternehmen satte 60.000 €.
Ein Grund mehr, dass Unternehmen selbst in Zeiten rarer Fachkräfte und dringender Suche nach Softwareentwicklern auf Strategien setzen sollten, hohe Fluktuationsraten und Fehlbesetzungen der vakanten Stellen zu vermeiden.
Was sind die Hauptursachen von Fehlbesetzungen?
Sicherlich kann man mit geeigneten Methoden den Produktivitätsverlust, sowie die Übergabe- und Einarbeitungszeit deutlich optimieren und hier die Kosten etwas senken [viii]. Leider wird aber meist an ganz anderer Stelle eingespart – am Personalmarketing und dem Recruiting. Und das, obwohl die Fehlbesetzungen durch ein gezieltes Investment in diesen Bereichen verringert werden könnten.
So sind die Hauptursachen für eine Fehlbesetzung laut einer Studie der Brandon Hall Group:
- schlecht geführte Bewerbungsgespräche,
- eine schwache Arbeitgebermarke (Art und Weise, wie sich das Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt präsentiert),
- eine negative Candidate Experience (Bewerbererfahrung),
- ein schlechter Onboarding-Prozess (Maßnahmen der Eingliederung und Aufnahme des neuen Mitarbeiters ins Unternehmen) und
- eine lückenhafte Informationsbeschaffung über die wirklichen Fähigkeiten des Bewerbers [ix].
Dennoch hat das Personalmarketing und Recruitment in den meisten Unternehmen nur einen geringen Stellenwert. Personalmangel und Zeitdruck führen daher oft zu unausgereiften Recruiting-Strategien und fehlender Sorgfalt bei der Auswahl der Kandidaten – und damit zu Fehlbesetzungen und einer hohen Fluktuationsrate. Dabei könnte sich ein Investment in eine starke Personalabteilung mit professionellen Recruitern nachhaltig für das Unternehmen lohnen und sogar die hohen Kosten der Fehlbesetzungen einsparen [iv,v,x].
Wie sieht dies speziell in der IT-Branche aus?
Gerade in der IT-Branche und beim Recruiting von Softwareentwicklern scheint eine gute Recruiting-Strategie unerlässlich zu sein. In Zeiten der stetig voranschreitenden Digitalisierung sind qualifizierte Softwareentwickler rar im Vergleich zum Überangebot an Stellen. Der Bewerber sucht sich also das Unternehmen aus – nicht umgekehrt. Um einen geeigneten Kandidaten für eine offene Stelle zu rekrutieren, ist ein aktives und persönliches Ansprechen des Softwareentwicklers notwendig – also ein Active Sourcing des Recruiters. Hierbei ist es unerlässlich, dass der Recruiter auch über nötiges Fachwissen und Informationen verfügt, um dem Softwareentwickler auf Augenhöhe begegnen zu können. Auch hier lohnt es sich also für das Unternehmen, in ein gutes und fachlich kompetentes Recruiting-Team zu investieren [xi,xii].
Eine Fehlbesetzung kann nur dann vermieden werden, wenn das Unternehmen und damit auch der Recruiter exakt wissen, was gesucht wird – denn Softwareentwickler ist nicht gleich Softwareentwickler. Sinnvoll ist es also, sich im Vorfeld aufzulisten, welche Fähigkeiten tatsächlich für die zu besetzende Stelle gefordert sind und natürlich auch, wie die Prioritäten sind. Denn oftmals ist es langfristig sinnvoller und erfolgreicher, einen Kandidaten nicht allein anhand seiner technischen Fähigkeiten, sondern auch dank seiner Einstellung und Werte auszuwählen. Immerhin können technische Fähigkeiten immer noch im Rahmen der Arbeit gelehrt und gelernt werden – sollte aber die Einstellung des Mitarbeiters nicht zum Team passen, ist eine langfristige Zusammenarbeit fast unmöglich zu erreichen [v].
Passende Recruiting-Strategie als wichtiger Baustein
Nicht zuletzt definiert sich der Erfolg, oder eben auch der Misserfolg, eines Unternehmens durch seine Mitarbeiter. In der modernen Arbeitswelt ist die Belegschaft demnach entscheidend dafür, ob das Unternehmen global eine Rolle spielt und sich den schnellen Veränderungen anpassen kann, oder eben auf der Stelle stehenbleibt und langfristig wenig erfolgreich sein wird.
Eine Investition in einen guten Mitarbeiter kann sich also lohnenv. Und das funktioniert nur durch höheres Investment in Recruiting- und Personalmarketing-Maßnahmen. Denn nur durch eine professionelle und den Ansprüchen der IT-Branche gerecht werdende Recruiting-Strategie kann den Fehlbesetzungen und damit den Folgen des Fachkräftemangels getrotzt werden – und nur so können Unternehmen langfristig die enormen Kosten einer Fehlbesetzung einsparen und wirtschaftlich erfolgreicher werden.
[i] Korn Ferry (2018) The Global Talent Crunch. https://www.kornferry.com/content/dam/kornferry/docs/article-migration/FOWTalentCrunchFinal_Spring2018.pdf. Zuletzt besucht am 18.10.20
[ii] Bitkom (2019) Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte. https://www.bitkom.org/sites/default/files/2019-11/bitkom-charts-it-fachkrafte-28-11-2019_final.pdf. Zuletzt besucht am 18.10.20
[iii] Ehmler, L (2017) CompanyMatch veröffentlicht White Paper – Die Kosten von Fehlbesetzungen. https://www.companymatch.me/news/deutsch/companymatch-veroffentlicht-neues-white-paper-die-kosten-von-fehlbesetzungen/. Zuletzt besucht am 18.10.20
[iv] DAHMEN Personalservice GmbH (2017) So viel kosten Nicht- und Fehlbesetzungen 2017. https://dahmen-personal.de/so-viel-kosten-nicht-und-fehlbesetzungen-2017/. Zuletzt besucht am 18.10.20
[v] Bundesverband der Personalmanager (2015) So werden Fehlbesetzungen vermieden. https://www.bpm.de/sites/default/files/bpm_service_fehlbesetzung.pdf. Zuletzt besucht am 18.10.20
[vi] Tiller, T (2018) Was kostet die Fehlbesetzung einer Stelle. https://magazin.inter-consulta.de/2018/03/26/was-kostet-die-fehlbesetzung-einer-stelle/. Zuletzt besucht am 18.10.20
[vii] Boushey, H; Glynn, SJ (2012) There Are Significant Business Costs to Replacing Employees. Center for American Progress. https://cdn.americanprogress.org/wp-content/uploads/2012/11/16084443/CostofTurnover0815.pdf?_ga=2.212718228.1276932935.1603022180-1160875807.1602846103. Zuletzt besucht am 18.10.20
[viii] Schwarze Consulting GmbH (2016) Kosten der Mitarbeiter-Fluktuation in der Softwareentwicklung. https://schwarze-consulting.de/management/2016/01/28/Kosten-Fluktuation-SW-Entwickler.html. Zuletzt besucht am 18.10.20
[ix] Brandon Hall Group (2015) The true cost of a bad hire. https://www.brandonhall.com/blogs/eliminate-the-cost-of-a-bad-hire-it-might-be-easier-than-you-think/. Zuletzt besucht am 18.10.20
[x] Personalmarketing2null (2017) Cost of Vacancy – So viel kostet eine unbesetzte Stelle. https://personalmarketing2null.de/2017/10/05/cost-of-vacancy-so-viel-kostet-eine-unbesetzte-stelle/. Zuletzt besucht am 18.10.20
[xi] Landwehr, J (2020) Wie Sie Programmierer und Entwickler rekrutieren. https://employer.it-talents.de/blog/softwareentwickler-rekrutieren/. Zuletzt besucht am 18.10.20
[xii] Campusjäger (2020) Softwareentwickler finden: Der Guide fürs IT-Recruiting. https://arbeitgeber.campusjaeger.de/hr-blog/softwareentwickler-finden. Zuletzt besucht am 18.10.20